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Erziehungshilfen und vorläufige Schutzmaßnahmen

Erziehungshilfen

In Sachsen wurden zum 31. Dezember 2015 insgesamt 24.514 junge Menschen91 durch Erziehungshilfen unterstützt. Im Vergleich zum Jahr 2007 entspricht dies einem absoluten Zuwachs von 7.591 Personen. Auch mit Blick auf die Verhältniszahlen, gemessen an jungen Menschen in Hilfen je zehntausend Einwohnern unter 21 Jahre, hat sich die Relation deutlich erhöht, von 239 auf 349 Menschen in Hilfen je zehntausend Einwohnern.

Differenziert nach den verschiedenen Hilfearten92 Erziehungsberatung, ambulante Hilfen und Fremdunterbringungen zeigt sich, dass unter den am 31. Dezember 2015 bestehenden Hilfen die ambulanten Hilfen sachsenweit mit 37 Prozent den größten Anteil hatten. Auf Erziehungsberatung und Fremdunterbringungen entfielen 34 und 28 Prozent (Abbildung 4 91). Diese Relationen haben sich im Zeitablauf seit 2007 nur marginal verändert.93

Mit Blick auf die Eingliederungshilfen für seelisch behinderte, junge Menschen von 6 bis unter 18 Jahren (§ 35a SGB VIII) wird ebenfalls ein deutlicher Anstieg der Leistungsinanspruchnahme sichtbar: Im Jahr 2015 waren 41 Kinder und Jugendliche je zehntausend 6- bis unter 18-Jährigen in Eingliederungshilfen. Im Jahr 2007 waren es »nur« 21.94

Abbildung 4-91: Anteile junger Menschen mit am 31. Dezember bestehenden Erzieherischen Hilfen in Sachsen insgesamt und nach Kreisfreien Städten und Landkreisen, in Prozent95, 2007 und 2015

Nach den sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten aufgeschlüsselt zeigt diese Abbildung die Anteile der drei Erziehungshilfen verteilt auf die Gesamtfälle. Zudem werden die Jahre 2007 und 2015 gegenübergestellt. Auffälligkeiten werden im folgenden Text beschrieben.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe,
eigene Darstellung Prognos AG

Im Gegensatz zu den kaum veränderten Relationen in Sachsen insgesamt gab es in einzelnen Landkreisen und Kreisfreien Städten durchaus Verschiebungen. Besonders auffällig sind der Landkreis Nordsachsen und die Kreisfreie Stadt Leipzig: Hier können deutliche Veränderungen der Anteile junger Menschen in den unterschiedlichen Hilfearten beobachtet werden, ohne dass die Ursachen dafür evident sind. Auffällig sind auch die großen Unterschiede zwischen einzelnen Landkreisen in der Inanspruchnahme der Erziehungsberatung – der Landkreis Meißen fiel schon 2013 durch eine geringe Inanspruchnahme auf, die bis 2015 noch weiter zurückging. Dafür liegt der Anteil der ambulanten Hilfen in diesem Landkreis sachsenweit an der Spitze.

Bei einer Fokussierung auf die Gruppe der 18- bis unter 27-Jährigen (junge Volljährige) werden deutliche Unterschiede zwischen Personen mit und ohne Transferbezug sichtbar. Drei Viertel der ambulanten Hilfen und der Fremdunterbringungen gehen in dieser Altersgruppe in Sachsen an junge Menschen im Transferbezug. Das bedeutet, dass die Herkunftsfamilie oder der junge Volljährige teilweise oder ganz von Arbeitslosengeld II, von bedarfsorientierter Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder von anderen Leistungen der Sozialhilfe (zum Beispiel Hilfe zum Lebensunterhalt, Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung) lebt. Der Anteil an jungen Volljährigen mit Transferbezug an der Erziehungsberatung ist vergleichsweise gering (27%). Das kann damit zusammenhängen, dass die Erziehungsberatung den ambulanten Hilfen und der Fremdunterbringung vorgeschaltet ist. Die betrachtete Gruppe der jungen Volljährigen hat möglicherweise in jüngeren Jahren dieses Hilfesystem bereits durchlaufen.

Diese Analysen zeigen, dass die Adressaten von Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsbe­ratung) in besonderem Maß von sozioökonomisch prekären Lebenslagen betroffen sind. Dieser Befund gilt deutschlandweit. Jedoch zeigt ein Vergleich der Bundesländer zu den Familien mit Transferleistungsbezug in den Hilfen zur Erziehung, dass die ostdeutschen Bundesländer eine höhere Inanspruchnahmequote haben als die westdeutschen Länder. Die Inanspruchnahme­quote in Sachsen liegt mit 77 Prozent erheblich über dem gesamtdeutschen Durchschnittswert (58%) sowie über dem Durchschnittswert für Ostdeutschland (74%) (Fendrich et al., 2016, S. 22).

Abbildung 4-92: Anteile junger Volljähriger mit Transferleistungen in verschiedenen Erziehungshilfen96 in Sachsen insgesamt und nach Kreisfreien Städten und Landkreisen, in Prozent, 2015 begonnene Hilfen

Die dargestellten regionalen Unterschiede werden im folgenden Text erläutert.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe,
Berechnung der Anteile und Darstellung Prognos AG

Im regionalen Vergleich fallen insbesondere die Landkreise Nordsachsen, Leipzig und Zwickau auf. In diesen liegt der Anteil der Transferbezieher in Erziehungshilfen deutlich über dem sächsischen Durchschnitt. Der Landkreis Leipzig hat mit 88 Prozent den höchsten Anteil an jungen Menschen mit Transferbezug, die fremd untergebracht werden. Bemerkenswert ist, dass keine systematischen Stadt-Land-Muster beziehungsweise Unterschiede zwischen den Kreisfreien Städten und den Landkreisen identifizierbar sind.

Vorläufige Schutzmaßnahmen

Jugendämter können wegen einer Kindeswohlgefährdung oder auch auf eigenen Wunsch von Kindern und Jugendlichen diese vorläufig in Schutz nehmen. Vorläufige Schutzmaßnahmen umfassen auch die Inobhutnahme beziehungsweise Herausnahme ausländischer Kinder oder Jugendlicher, die unbegleitet nach Deutschland kommen und von denen sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte in Deutschland aufhalten.

Abbildung 4-93: Vorläufige Schutzmaßnahmen97, je zehntausend unter 18-Jährigen, 2007 bis 2015

Vorläufige Schutzmaßnahmen auf eigenen Wunsch sind von 2007 bis 2015 leicht zurückgegangen und bleiben unter 10 je zehntausend. Vorläufige Schutzmaßnahmen wegen Gefährdung stiegen in der Zeit insbesondere von 2014 (39,8) auf 2015 (57,5).

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe,
eigene Darstellung Prognos AG

Im Jahr 2014 gab es in Sachsen insgesamt 2.800 vorläufige Schutzmaßnahmen, 2007 waren es 2.042. Der Anteil der vorläufigen Schutzmaßnahmen je zehntausend der unter 18-Jährigen belief sich damit auf 47 vorläufige Schutzmaßnahmen je zehntausend unter 18-Jährigen. Im Zeitverlauf von 2007 bis 2014 ist der Anteil je Zehntausend um 10 Punkte angestiegen.

Die überwiegende Anzahl der vorläufigen Schutzmaßnahmen erfolgte durch das Jugendamt wegen einer Kindeswohlgefährdung. Häufigste Gründe waren Überforderung der Eltern/eines Elternteiles (49%) und/oder Beziehungsprobleme (20%).98

Der deutliche Anstieg der vorläufigen Schutzmaßnahmen im Jahr 2015 auf 67 je zehntausend unter 18-Jährigen ist mit der Flüchtlingsbewegung im Spätsommer 2015 zu erklären. Sie führte zu einem starken Anstieg von vorläufigen Schutzmaßnahmen unbegleiteter Kinder und Jugendlicher: Im Jahr 2015 handelte es sich bei einem Drittel der vorläufigen Schutzmaßnahmen um unbegleitet eingereiste Jugendliche aus dem Ausland. Im Vorjahr belief sich ihr Anteil auf 5 Prozent. Von den 2015 unbegleitet Eingereisten waren 59 Prozent zwischen 16 und unter 18 Jahre alt, knapp ein Drittel zwischen 14 und unter 16 Jahre; 96 Prozent der unbegleitet Eingereisten waren männlich.

Personal in Jugendämtern

In den Jugendämtern in Sachsen waren 2014 insgesamt 1.806 Personen beschäftigt. Unter Berücksichtigung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungen handelte es sich um 1.689 Vollzeitäquivalente (VZÄ). Die meisten Beschäftigten (32%) sind in der Verwaltung sowie (30%) im Arbeitsbereich »Allgemeiner Sozialer Dienst/Förderung der Erziehung (ASD)« tätig.

Die Arbeitsbereiche in den Jugendämtern wurden von 2010 bis 2014 personell neu aufgestellt. In der Verwaltung wurde das Personal reduziert, im ASD im selben Zeitraum aufgebaut. Der ASD arbeitet im Umfeld der Familien. Beispielsweise berät er Familien in Krisen und verantwortet die Planung und Kontrolle von Hilfeprozessen. Zudem hat er eine Schutzfunktion bei Kindeswohlgefährdungen.

Im Jahr 2014 kommen rund acht Beschäftigte des ASD auf zehntausend unter 21-Jährige. Im Jahr 2006 betrug das Verhältnis noch fünf zu zehntausend. Das aktuell realisierte Verhältnis entspricht der deutschlandweiten Relation von ASD-Beschäftigten zu unter 21-Jährigen.

Abbildung 4-94: Entwicklung der Beschäftigten der Jugendämter in Sachsen insgesamt und nach Kreisfreien Städten und Landkreisen, in verschiedenen Bereichen (Differenzen in VZÄ je zehntausend Einwohnern unter 21 Jahren), 2014 gegenüber 2002

Der Inhalt der Grafik wird im Folgenden beschrieben.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe,
eigene Darstellung Prognos AG

Auf Ebene der Kreise und Kreisfreien Städte lässt sich, mit wenigen Ausnahmen in einzelnen Arbeitsbereichen, eine Zunahme der Beschäftigtenzahl nachzeichnen. Auffällig ist, dass insbesondere personelle Zuwächse im Bereich »Heimerziehung« erfolgt sind. Diese Entwicklung steht in einem Zusammenhang mit der zunehmenden Zahl an jungen Menschen, die in Heimen oder sonstigen betreuten Wohnformen erzogen werden.

 

Fußnoten

91 Junge Menschen sind Personen, die das 27. Lebensjahr noch nicht überschritten haben.

92 Betrachtet werden Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII, ambulante Hilfen insgesamt nach §§ 29, 30, 31, 32, 27, 35 SGB VIII sowie Fremdunterbringungen insgesamt nach §§ 33, 34, 27 SGB VIII.

93 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe.

94 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe.

95 Die Summe kann rundungsbedingt von 100% abweichen.

96 Begonnene Hilfen.

97 Nach einer Gesetzesänderung im SGB VIII wird ab dem Berichtsjahr 2014 nicht mehr nach der Art der
vorläufigen Schutzmaßnahme (Inobhutnahme beziehungsweise Herausnahme) unterschieden. 2014 und 2015 werden daher nicht nur die Inobhutnahmen dargestellt, sondern die vorläufigen Schutzmaßnahmen insgesamt, also Inobhutnahmen und Herausnahmen.

98 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe.
Für jedes Kind/Jugendlichen konnten bis zu zwei Anlässe angegeben werden.

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