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Wirkungszusammenhänge

Sachsen war in den letzten Jahren stark von Abwanderung, vor allem von jüngeren Frauen, betroffen. Insbesondere ländliche Räume schrumpfen und altern auch zukünftig signifikant.11 Dies dämpft aufgrund des erheblichen Rückganges des Arbeitskräftepotenzials die langfristigen Wachstumsperspektiven. Andererseits wiesen die Kreisfreien Städte Dresden und Leipzig einen positiven Wanderungssaldo auf (Abbildung 3-22) – die demografische Spreizung zwischen städtischen und ländlichen Regionen in Sachsen verstärkt sich damit. Die Konsequenzen dieser Zuwanderung für die soziale, gesellschaftliche und ökonomische Lage in den Kreisfreien Städten sind vielfältig und beispielsweise abhängig vom Alter, dem Bildungsstand oder der familiären Situation der Bevölkerung. Die Problemlagen der drei Kreisfreien Städte, vor allem Dresden und Leipzig, unterscheiden sich auch deshalb deutlich von den Problemlagen der Landkreise, ein Befund, der sich künftig noch verstärken wird.

Bemerkenswert ist in diesem Kontext auch der Zusammenhang zwischen Wanderungssaldo und der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigen auf regionaler Ebene. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen ist ein gängiges Maß der Produktivität. Es drückt aus, wie sich die Relation des Outputs (in diesem Fall das Bruttoinlandsprodukt) zum Input (die Zahl der Erwerbstätigen) verhält.12 Der Wanderungssaldo zeigt dagegen die Differenz aus Zu- und Abwanderung in einem Zeitraum. Der Wanderungssaldo wird normiert, indem er durch die Bevölkerungszahl insgesamt geteilt wird. Zusätzlich werden Zeiträume von fünf Jahren betrachtet. Der erste Zeitraum reicht von 2000 bis 2005, der zweite von 2005 bis 2010 und der dritte von 2010 bis 2015. Grund hierfür ist, dass Trends in der Migration und in der Entwicklung der Produktivität bei einer Betrachtung auf Jahresbasis durch kurzfristige Ausreißer beeinträchtigt sind. Eine Betrachtung der Veränderung über einen Zeitraum von 2000 bis 2015 hätte dagegen zur Folge, dass strukturelle Veränderungen über die Zeit nicht angemessen berücksichtigt werden können.

Im Ergebnis zeigt sich ein deutlich positiver Zusammenhang zwischen dem Wanderungssaldo und der Entwicklung der Produktivität in den Kreisfreien Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz (Abbildung 3-22).13 Demnach steht eine Zunahme des Wanderungssaldos in die Kreisfreien Städte Dresden, Leipzig oder Chemnitz mit einer Zunahme der Produktivität (des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigem) in Verbindung.

Die Abbildung zeigt, dass die Veränderung des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigen über einen Zeitraum von fünf Jahren positiv mit dem Wanderungssaldo während dieser fünf Jahre korreliert ist. Eine stärkere Zunahme des Wanderungssaldos steht dabei in Zusammenhang mit einer stärkeren Zunahme des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigen. Die gestrichelte Linie gibt die Trendlinie wider. Der Steigungskoeffizient liegt bei rund 0,16. Demnach ist ein positiver Wanderungssaldo von einem Prozent der Bevölkerung über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einem Anstieg der Produktivität beziehungsweise des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigen von 0,16 Prozent korreliert.

Abbildung 3‑22: Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Produktivität und des Wanderungssaldos in den Kreisfreien Städten Sachsens, Veränderung jeweils in Prozent über einen 5-Jahreszeitraum, 2000 bis 2015

Die Abbildung zeigt den im Text beschriebenen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Produktivität und des Wanderungssaldos.

Lesehilfe: Der Punkt L10_15 zeigt den Zusammenhang zwischen der Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) je Erwerbstätigem von 2010 auf 2015 und dem Wanderungssaldo zwischen 2010 und 2015 als Anteil an der Bevölkerung. Die Position des Punktes drückt aus, dass zwischen 2010 und 2015 ein deutlicher Anstieg des Wanderungssaldos (vertikale Achse) mit einem deutlichen Produktivitätsanstieg (horizontale Achse) einherging.
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Bevölkerungsstatistik und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder
eigene Darstellung Prognos AG

Zu beachten ist, dass die Abbildung keinen kausalen Zusammenhang zeigt. Dennoch gibt es eine naheliegende Vermutung, dass in die drei Kreisfreien Städte Sachsens bis 2015 vor allem hochproduktive Personen zugewandert sind.14 Gründe hierfür sind etwa die günstigen Karrierechancen verbunden mit attraktiven Lohnperspektiven15 oder die verglichen mit anderen städtischen Regionen in Deutschland geringeren Wohnkosten.16 Zudem tragen neue Wanderungsmuster zu einer Ansiedlung vor allem der jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung in sogenannten Schwarmregionen wie die Kreisfreien Städte Dresden und Leipzig bei.17 In den Landkreisen zeigt sich dagegen kein vergleichbarer Zusammenhang zwischen der Wanderung und der Produktivitätsentwicklung – sie verlieren Einwohner und können von der Zuwanderung Hochqualifizierter offenbar nicht in großem Stil profitieren.

 

Fußnoten

11 Zu diesem Schluss kommt das Statistische Landesamt Sachsen auf Basis der 6. Regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung (Müller, 2016).

12 Zusätzlich wird eine Preisbereinigung vorgenommen. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigem liegt demnach als reale Größe vor.

13 Die Beschriftung Abbildung 3-22 ist wie folgt organisiert: Der Buchstabe (D, L und C) steht für den Anfangsbuchstaben der Kreisfreien Stadt (Dresden, Leipzig oder Chemnitz). Die nachfolgende Kombination aus Zahlen steht für den betrachteten Zeitraum, 00 entspricht dabei dem Jahr 2000, 05 dem Jahr 2005, 10 dem Jahr 2010 und 15 dem Jahr 2015. Entsprechend zeigt beispielsweise D00_05 den Zusammenhang zwischen dem normierten Wanderungssaldo und der Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) je Erwerbstätigem im Zeitraum 2000 bis 2005.

14 Auch eine höhere Kapitalintensität oder eine Verschiebung der Wirtschaftsstruktur hin zu produktiveren Unternehmen und Branchen können zu Produktivitätssteigerungen beigetragen haben.

15 Differenzen in den Tageslöhnen für Beschäftigte zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten werden in Kapitel Erwerbstätigkeit, Einkommen und Armutsgefährdung in Sachsen thematisiert.

16 Beispielsweise zeigt der F+B-Mietspiegelindex 2017 eine durchschnittliche Vergleichsmiete von 6,10 Euro für Dresden. Diese liegt unterhalb der durchschnittlichen Vergleichsmiete für Deutschland (6,72 Euro) und deutlich unterhalb der durchschnittlichen Vergleichsmieten für Großstädte wir München, Stuttgart, Köln oder Frankfurt.

17 Zu diesem Ergebnis kommt eine von empirica im Auftrag des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen durchgeführte Studie (empirica, 2015).

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