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Psychische Störungen und Suizid

Psychische und Verhaltensstörungen

Psychische Erkrankungen sind in der Bevölkerung weit verbreitet und belasten Personen jeglichen Alters (Abbildung 6‑54, Abbildung 6‑55). Besonders betroffen sind jedoch Personen im erwerbsfähigen Alter, was psychische Erkrankungen zu einer starken Belastung für die Betroffenen wie für die Gesellschaft macht.

Abbildung 6-54: Krankenhausfälle aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen (F00-F99) in Sachsen, nach Alter und Geschlecht, je 100.000 Einwohner145, 2015

Bei Frauen liegen Krankenhausfälle aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen zwischen 15-19 Jahren besonders hoch und sinken dann mit zunehmendem Alter. Bei Männern sind Krankenhausfälle im Alter von 15 bis 49 Jahren und mit 90 bis 94 Jahren besonders häufig.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Krankenhausstatistik, und AOK PLUS: KG 8-Statistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Abbildung 6-55: Arbeitsunfähigkeitsfälle infolge psychischer und Verhaltensstörungen (F00-F99) in Sachsen, nach Geschlecht und Alter, je 100.000 AOK PLUS-Pflichtmitglieder (ohne Rentner), 2015

Arbeitsunfähigkeitsfälle infolge psychischer und Verhaltensstörungen sind für alle Altersgruppen bei Frauen höher als bei Männern. Besonders hoch ist die Arbeitsunfähigkeit für beide Geschlechter unter 25. Von 25 bis 65 Jahren bleibt die Arbeitsunfähigkeit mit 8.000 bis 10.000 Fällen doppelt so hoch wie bei den Männern mit 4.000 bis 5.000 Fällen je 100.000 AOK PLUS-Pflichtmitglieder (ohne Rentner).

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Krankenhausstatistik, und AOK PLUS: KG 8-Statistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Krankenhausdiagnosen, Arbeitsunfähigkeitsfälle, Rehabilitationsmaßnahmen und vorzeitiger Renteneintritt aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen haben im Zehnjahreszeitraum von 2005 bis 2015 in Sachsen und in Deutschland insgesamt stark zugenommen. Dabei handelt es sich nicht um einen epidemiologischen Anstieg, vielmehr ist davon auszugehen, dass bestehende Angebote aufgrund der Entstigmatisierung und der gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz stärker in Anspruch genommen werden (RKI 2015). 

Krankenhausfälle aufgrund psychischer Störungen sind altersstandardisiert in Sachsen von 2005 auf 2015 bei Männern um 24,5 Prozent und bei Frauen um 38,0 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen gab es im Jahr 2015 rund 30.900 männliche und 25.300 weibliche Krankenhausfälle. 5,6 Prozent aller Krankenhausfälle werden durch psychische Störungen verursacht (Männer 6,3%; Frauen 4,9%). Der größte Anteil davon geht bei Männern auf Alkoholmiss­brauch zurück (Abbildung 6‑56). Bei Frauen sind hingegen affektive Störungen am häufigsten. Zu affektiven Störungen zählen unter anderem Manie, bipolare Störung und Depression. 2016 wurden rund 5.150 weibliche Fälle und 2.900 männliche Fälle wegen Depression in sächsischen Kliniken behandelt. Dieser erhebliche Geschlechtsunterschied zeigt sich auch in der altersstandardi­sierten Rate je 100.000 Einwohner (Frauen 227,1; Männer 130,5).

Abbildung 6-56: Anteil von Einzeldiagnosen an allen Krankenhausfällen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen (F00-F99) in Sachsen, nach Geschlecht, in Prozent, 2015

Wie im Text beschrieben, stellen Alkohol und affektive Störungen den größten Anteil an Einzeldiagnosen dar. Psychotrope Substanzen, Schizophrenie, schizotype und wahrhafte Störungen und Demenz nehmen Anteile von nur 5 bis 11 Prozent ein.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Krankenhausstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Abbildung 6‑57 zeigt altersstandardisierte Unterschiede von Krankenhausfällen auf Grund psychischer und Verhaltensstörungen der sächsischen Landkreise und Kreisfreien Städte nach ausgewählten Diagnosen. Zu psychotropen Substanzen zählen unter anderem Alkohol, Opioide, Cannabinoide, Sedativa und andere Substanzen mit oder ohne ärztliche Verordnung. In allen Landkreisen und Kreisfreien Städten machte Alkohol dabei den größten Anteil aus. Schizophre­nie, schizophren wirkende Störungen und wahnhafte Störungen waren vergleichsweise für einen geringen Anteil an Krankenhausfällen verantwortlich. Der Großteil von Krankenhausfällen aufgrund von affektiven Störungen ging auf Depressionen zurück. Demenz war für den geringsten Anteil von Krankenhausfällen aufgrund psychischer Störungen verantwortlich. Auffällig ist hier, dass Chemnitz (15,1), der Erzgebirgskreis (17,4) und der Vogtlandkreis (21,3) deutlich über der altersstandardisierten Rate von Sachsen (12,0) lagen. Im Kapitel Demenz wird näher auf das Thema Demenz in Sachsen eingegangen. Eine überdurchschnittliche Rate in einer Diagnose war indes nicht immer mit hohen Raten in anderen Diagnosen verbunden. In Chemnitz war die alters­standardisierte Rate psychischer und Verhaltensstörungen aufgrund psychotroper Substanzen vergleichsweise hoch, während die Raten von Schizophrenie und affektive Störungen unter dem sächsischen Durchschnitt lagen.

Abbildung 6-57: Krankenhausfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen (F00-F99) nach ausgewählten Diagnosen in Sachsen insgesamt und in den Landkreisen und Kreisfreien Städten, altersstandardisiert je 100.000 Einwohner, 2016

Die Abbildung stellt die beschriebenen regionalen Unterschiede der Krankenhausfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen grafisch dar.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Krankenhausstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Die übergroße Bedeutung von Alkohol unter Krankhausfällen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen spiegelt sich nicht in den altersstandardisierten Raten der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen wider (Abbildung 6‑58). Hier überwogen Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund affektiver Störungen, die in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten nahezu gleichbe­deutend mit der Behandlung von Depression waren. Bei Rehabilitationsmaßnahmen waren schizophrene Erkrankungen nur von untergeordneter Bedeutung. Hier gab es im Jahr 2016 in ganz Sachsen nur 105 Fälle. Medizinische Rehabilitation zielt hauptsächliche darauf ab, die durch Gesundheitsschäden bedrohte Erwerbstätigkeit wiederherzustellen oder deren Einschränkung zu mildern. Demenz ist aber eine Krankheit, die verstärkt erst jenseits des Renteneintrittsalters auftritt (Kapitel Demenz). Daher gab es 2016 nur 10 Rehabilita­tionsmaßnahmen aufgrund von Demenz in Sachsen.

Abbildung 6-58: Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen (F00-F99) nach ausgewählten Diagnosen in Sachsen insgesamt und in den Landkreisen und Kreisfreien Städten, altersstandardisiert je 100.000 Einwohner, 2016

Die Abbildung stellt die beschriebenen regionalen Unterschiede der Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen grafisch dar.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
eigene Darstellung Prognos AG

Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol waren bei Frauen die zweihäufigste Krankenhausdiagnose, wenngleich weniger häufig als bei Männern (Abbildung 6‑56). Gleichzeitig sind die Krankenhausaufnahmen wegen Alkoholabusus und Alkoholabhängigkeit bei Frauen in Sachsen von 2005 bis 2015 um 30,3 Prozent gestiegen (altersstandardisiert), bei Männern lediglich um 3,2 Prozent. Sie lagen bei Frauen aber noch immer deutlich unter denen der Männer. Bei Männern sank die Zahl der Krankenhausfälle seit 2013. Sie lagen aber deutlich über dem Bundesdurchschnitt (Abbildung 6‑59). Zu einer weiterführenden Beschreibung geschlechts­spezifischer Unterschiede bei Alkoholkonsum sei auf die Darstellung des Risiko­faktors Alkohol im Kapitel Gesundheitsunterschiede bei Mann und Frau verwiesen.

Abbildung 6-59: Krankhausfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F10) in Deutschland und Sachsen, nach Geschlecht, altersstandardisiert je 100.000 Einwohner

Krankenhausfälle aufgrund von Alkohol sind bei Männern in den Jahren 2000 bis 2014 auf 600 Fälle je 100.000 Einwohner leicht angestiegen. Dabei lag die Anzahl der Männer in Sachsen durchgehend über dem deutschen Durchschnitt. Krankenhausfälle bei Frauen sind von 180 auf knapp über 200 Fälle je 100.000 Einwohner leicht angestiegen. Die Anzahl der Fälle der Frauen in Sachsen ist seit 2008 vergleichbar mit dem deutschen Durchschnitt.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Krankenhausstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Auffällig hoch waren im Jahr 2016 altersstandardisierte Krankenhausfälle aufgrund von Alkoholmissbrauch im Landkreis Görlitz, dem Vogtlandkreis und dem Erzgebirgskreis (Abbildung 6‑60). Eine Analyse der ambulanten Versorgung könnte in zukünftigen Studien zur Klärung dieser regionalen Disparitäten beitragen. Ein Zusammenhang von Alkoholkonsum und niedrigem Bildungsstatus lässt sich auf individueller Ebene zumindest nicht nachweisen (Abbildung 6‑96).

Abbildung 6-60: Krankenhausfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F10) in Sachsen insgesamt und in den Landkreisen und Kreisfreien Städten, 2016, altersstandardisiert je 100.000 Einwohner

In den Landkreisen Zwickau, Mittelsachsen und der Sächsischen Schweiz gab es rund 100 Krankenhausfälle je 100.000 Einwohner aufgrund von Alkohol weniger als im Vogtlandkreis, Erzgebirgskreis und Görlitz.

Eine Übersichtskarte mit den Namen der Landkreise und Kreisfreien Städte ist in Teil I zu finden.
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Krankenhausstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG. Kartengrundlage: © GeoBasis-DE / BKG 2016

Altersstandardisiert zeigen sich auch teils deutliche regionale Unterschiede in der Häufigkeit der Krankenhausdiagnose Depression (Abbildung 6‑61). Inwieweit die hohen Werte im Vogtlandkreis und Dresden oder der niedrige Wert im Landkreis Zwickau auf tatsächliche Unterschiede in der Krankheitslast zurückgehen oder ob beispielsweise versorgungsbedingt ambulante Engpässe bestehen und somit Krankenhausbehandlungen notwendig wurden, ist nicht bekannt.

Abbildung 6-61: Krankenhausfälle aufgrund von Depression (F32-F34) in Sachsen insgesamt und in den Landkreisen und Kreisfreien Städten, altersstandardisiert je 100.000 Einwohner, 2016

Krankenhausfälle aufgrund von Depression sind besonders hoch im Vogtland, Dresden und in der Sächsischen Schweiz. Eine niedrigere Anzahl von Fällen findet sich in Zwickau, Chemnitz und Mittelsachsen.

Eine Übersichtskarte mit den Namen der Landkreise und Kreisfreien Städte ist in Teil I zu finden.
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Krankenhausstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG. Kartengrundlage: © GeoBasis-DE / BKG 2016

Krankenhausfälle liefern nur ein unvollständiges Bild von der Verbreitung psychischer Erkrankungen in der sächsischen Bevölkerung. Ein Großteil der Behandlung findet in ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Praxen statt. In 5,9 Prozent aller Fälle wurde 2011 Depression als Behandlungsanlass in allgemeinärztlichen Praxen angegeben. Depressive Episoden (14,9%), wiederkehrende depressive Störungen (13,6%) und Angststörungen (12,0%) waren 2011 die häufigsten Ursachen für die Behandlung in nervenärztlichen Praxen in Sachsen (GBE).

Tabelle 6‑4 zeigt die zeitliche Entwicklung von Arbeitsunfähigkeitsfällen (AU-Fälle), Rehabilitationsmaßnahmen und vorzeitigen Rentenzugängen infolge psychischer Erkrankungen in Sachsen. Besonders stark war der Anstieg von AU-Fällen bei Frauen, die sich mehr als verdoppelt haben. Frauen verzeichneten sowohl den größten prozentualen Zuwachs als auch die höchsten Erkrankungsraten. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Krankenhausaufnahmen. Hier waren die altersstandardisierten Fallzahlen je 100.000 bei Männern höher (Männer 1.554,7; Frauen 1.232,3). Grund dafür sind die deutlich höheren Aufnahmen wegen Alkoholmissbrauchs bei Männern (siehe oben).

Tabelle 6‑4: Entwicklung von Arbeitsunfähigkeitsfällen, medizinischer und sonstiger Leistungen zur Teilhabe und Rentenzugängen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen (F00-F99) in Sachsen von 2005 auf 2015, in Prozent nach Geschlecht altersstandartisiert je 100.000 Einwohner
  Arbeitsunfähigkeitsfälle der AOK PLUS-Pflichtmitglieder Medizinische und sonstige Leistungen zur Teilhabe (unter 65 Jahre) Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Fälle in männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich
2005 3.109,7 4.167,6 257,1 284,2 94,1 105,4
2015 4.842,0 9.124,2 300,7 406,0 111,6 159,6
Zuwachs in% 55,7% 118,9% 17,0% 42,9% 18,6% 51,4%

Quelle: AOK PLUS: KG 8-Statistik sowie Deutsche Rentenversicherung Bund: Statistik der gesetzlichen Rentenversicherung und Statistik über medizinische und sonstige Leistungen zur Teilhabe,
eigene Darstellung Prognos AG

Hervorzuheben ist, dass es besonders bei jungen Arbeitnehmern unter 25 Jahren zu über­durchschnittlich vielen AU-Fällen kommt (Abbildung 6‑55). Hervorgerufen werden könnte dies durch eine höhere psychische Belastung bei jüngeren Arbeitnehmern, bei denen der Übergang von Ausbildung beziehungsweise Studium ins Berufsleben mit erhöhtem Stress verbunden sein könnte und die in besonderem Maß unter unsicheren Beschäftigungs­verhältnissen und zu geringer Anerkennung ihrer Arbeit leiden könnten (Herrera et al., 2017).

Psychische Erkrankungen sind auch der zweithäufigste Anlass für Rehabilitationsmaßnahmen in Sachsen (Tabelle 6‑5). Dabei entfielen die meisten Leistungen auf die Behandlung affektiver Störungen (Frauen 48,1%; Männer 22,6%), Alkoholmissbrauch (Frauen 7,5%; Männer 33,2%) sowie Medikamenten- und Drogenmissbrauch (Frauen 5,8%; Männer 20,8%). Psychische Erkrankungen waren 2015 der häufigste Grund für einen vorzeitigen Renteneintritt (Abbildung 6‑74). Die größten Anteile machten dabei affektive Störungen (Frauen 45,0%; Männer 24,4%), Alkoholmissbrauch (Frauen 5,8%; Männer 28,5%) und Schizophrenie (Frauen 5,8%; Männer 12,7%) aus (Abbildung 6‑58).

Primärprävention psychischer Erkrankungen

Unter dem Begriff der psychischen Erkrankungen wird eine Vielzahl zum Teil sehr verschiedener gesundheitlicher Probleme und Störungen zusammengefasst. Die Ursachen für diese Erkrankungen sind ebenso unterschiedlich, meist multifaktoriell und vermutete kausale Zusammenhänge sind zum Teil noch nicht belegt. In der Prävention psychischer Erkrankungen spielt die Gesundheitsförderung ab dem Kindesalter (siehe Kapitel Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter) eine bedeutende Rolle. Die Förderung von Lebenskompetenzen und Ressourcen ist jedoch auch im späteren Alter noch eine wichtige Präventionsmaßnahme. Bei Erwachsenen können die Arbeitsbedingungen sowohl als Schutz- als auch als Risikofaktor in Bezug auf eine psychische Erkrankung wirken. Beispielsweise erhöht hoher arbeitsbezogener Stress in Gesundheitsberufen das Risiko eine Angststörung, ein Burnout oder eine Depression zu entwickeln (Dalsbo et al., 2013). An dieser Stelle sei auch auf das Kapitel Prävention und Gesundheitsförderung im mittleren Erwachsenenalter verwiesen.

Für den positiven Effekt körperlicher Aktivitäten auf die psychische Gesundheit gibt es in der Wissenschaft mehrere Hinweise, insbesondere zur Prävention von affektiven Störungen. Mammen und Faulkner (2013) geben beispielsweise an, dass Bewegung bereits ab einem geringen Level in Form von 150 Minuten Fußmarsch pro Woche der Entwicklung einer Depression vorbeugen kann.

Die häufigste Form der psychischen Störung bei sächsischen Männern war in den vorliegenden Daten in übermäßigem Alkoholkonsum begründet. Aus Studien geht hervor, dass eine leichtere Verfügbarkeit von Alkohol und höherer Alkoholmissbrauch innerhalb einer Gesellschaft mitei­nander in Beziehung stehen. Maßnahmen der Verhältnisprävention werden als effektiver als Maßnahmen der Verhaltensprävention und Therapie eingestuft (Babor, 2010). Zu den verhältnispräventiven Maßnahmen zählen zum Beispiel die Verfügbarkeit von Alkohol und dessen Preis sowie die Vorhaltung von sozialen Hilfseinrichtungen (Hurrelmann et al., 2004). In der Suchtprävention liegt des Weiteren ein Schwerpunkt bei schulischen Interventionen (siehe Kapitel Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter).

Suizid

Suizid, auch vorsätzliche Selbstbeschädigung genannt, ist der bewusste Akt der Selbsttötung. In 17,4 Prozent aller weiblichen und in 8,0 Prozent aller männlichen Fälle geschah der Suizid durch die vorsätzliche Einnahme von Drogen oder Medikamenten (GBE). Im Jahr 2015 haben sich 155 Frauen und 488 Männer in Sachsen das Leben genommen. Während die Zahl der Inanspruchnahmen von Versorgungsangeboten aufgrund psychischer Erkrankungen in Sachsen stieg (siehe »Psychische und Verhaltensstörungen« im Kapitel »Psychische Störungen und Suizid«), ging die Anzahl der Suizide erfreulicherweise zurück (Abbildung 6‑62). Altersstandardisiert sind sie von 2005 bis 2015 bei Männern um 20 Prozent und bei Frauen um 10,9 Prozent gesunken.

Abbildung 6-62: Gestorbene infolge von Suizid (X60-X84) in Sachsen und Deutschland, nach Geschlecht, altersstandardisiert je 100.000 Einwohner, 1998 bis 2015

Die Anzahl Gestorbener aufgrund von Suizid war bei Männern in Sachsen höher als im deutschen Durchschnitt. Sowohl in Sachsen wie auch in Deutschland zeigt sich allerdings ein Rückgang der Anzahl. Bei Frauen ist die Anzahl in Sachsen wie in Gesamtdeutschland. Die Anzahl der Suizidfälle bei Frauen zeigt einen geringeren Rückgang.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Todesursachenstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass auf jeden Suizid mehr als 20 Versuche zur Selbsttötung kommen (WHO, 2014). Aussagen zur Häufigkeit der Suizidversuche stehen auf einer unsicheren Datenbasis, da sie, wie auch in Deutschland, nicht in der amtlichen Statistik erfasst werden. Studienergebnissen zufolge nehmen sich Männer häufiger das Leben als Frauen, unternehmen zugleich aber weniger häufig Versuche dazu. Das Risiko für einen vollendeten Suizid ist bei Männer vier- bis fünfmal so hoch wie bei Frauen, da Männer häufiger Hochrisikomethoden wie Erschiessen, Erhängen, Springen oder Ertränken wählen (Mergl et al., 2015).

Altersstandardisiert betrachtet begingen Männer 2015 in Sachsen beinahe viermal so häufig Suizid wie Frauen und ihre Suizidrate lag deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Neben der Art der Selbsttötung werden in der Forschung psychosoziale Ursachen für die höhere Suizidrate von Männern diskutiert. Im Vergleich zu Frauen widerstrebt es Männern stärker, bei Depression und Lebenskrisen Hilfe zu suchen. Sie verfügen oft über weniger soziale Unterstützung als Frauen. Arbeitslosigkeit gilt unter Männern ebenso wie Alkoholabhängigkeit in Verbindung mit Depression als Risikofaktor für Suizid (Cibis et al., 2012).

Der Anteil von Suiziden an allen Todesursachen nimmt mit dem Alter ab (Abbildung 6‑63). Da junge Menschen seltener an chronischen Erkrankungen sterben, nimmt sich der Anteil von Suizid an Gestorbenen in dieser Altersgruppe besonders stark aus. Er ist aber kein Ausdruck einer höheren Suizidneigung in der Jugend. In absoluten Zahlen betrachtet, begingen 18 junge (bis unter 25 Jahre), 315 mittelalte (25 bis unter 65 Jahre) und 310 ältere Menschen (65 Jahre und älter) im Jahr 2015 Suizid.

Tatsächlich erhöht sich mit zunehmendem Alter das Suizidrisiko in Sachsen. 58,7 Prozent aller weiblichen Suizide werden von Frauen mit 65 Jahren und älter begangen (Männer 44,9%). Die Suizidrate folgt damit dem sogenannten »ungarischen« Muster (Schmidtke et al., 2008), welches sich durch einen starken Anstieg der Suizidrate in den oberen Altersklassen auszeichnet (Abbildung 6‑64). Dieser Anstieg fällt bei Männern ab 85 Jahren besonders dramatisch aus, allerdings auch weil die Zahl der Personen in diesen Altersgruppen relativ gering ist. Es gab beispielsweise 2015 drei Suizide unter Frauen im Alter ab 95 Jahren und vier unter gleichaltrigen Männern.

Abbildung 6-63: Anteil von Suiziden (X60-X84) an allen Todesursachen in Sachsen, nach Alter und Geschlecht, in Prozent, 2015

Unter 25 Jahren ist der Anteil von Suiziden bei Männern und Frauen ähnlich. Mit dem Alter sinkt der Anteil bei Frauen stärker als bei Männern.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Todesursachenstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Abbildung 6-64: Gestorbene infolge vorsätzlicher Selbstbeschädigung (X60-X84) in Sachsen, nach Alter und Geschlecht je 100.000 Einwohner, 2015 146

Die Grafik zeigt die im Text beschriebene Anzahl Gestorbener aufgrund von Suizid im Alter.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Todesursachenstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Ursachen für die hohen Suizidraten im Alter liegen häufig in einer Veränderung der Lebensumstände. Der Verlust des Partners oder des sozialen Netzwerkes (siehe auch »Einsamkeit« im Ka­pitel »Gesundheitsunterschiede bei Mann und Frau«), Angst vor Erkrankung und Verlust von Mobilität und Handlungsfreiheit gelten als Auslöser von Depression im Alter, die bis zur Selbsttötung führen kann (Schmidtke et al., 2008). Zugleich zeigt sich in Studien, dass die Zahl der Suizidversuche im Alter ab-, die Letalität der Versuche aber zunimmt. Ein Grund dafür dürfte in der geschwächten körperlichen Verfassung der Betroffenen liegen, die das Überleben eines Suizidversuches unwahrscheinlicher macht (Cibis et al., 2012).

Die Zahl der Suizide ist insgesamt zurückgegangen, aber die Entwicklung im höheren Alter folgt diesem Trend nicht. Im Alter ab 65 Jahren hat die rohe Suizidrate je 100.000 Einwohner bei Männern von 2005 auf 2015 um 24,9 Prozent zugenommen, während sie sich bei Frauen nach wechselhaftem Verlauf wieder auf dem Niveau von 2005 befindet (Zunahme 0,4%).

Abbildung 6-65: Suizide (X60-X84) in Sachsen, nach Geschlecht und Alter, je 100.000 Einwohner

Bei Männern und Frauen kommen bei über 65-Jährigen die meisten Suizide vor. In 2015 waren es 21 Fälle je 100.000 Einwohner bei Männern und 15 je 100.000 Einwohner bei Frauen. Bei jüngeren Altersgruppen nimmt die Anzahl bis zu weniger als 5 Suiziden je 100.000 Einwohner ab.

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Todesursachenstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG

Abbildung 6‑66 zeigt die Unterschiede in der standardisierten Sterblichkeitsrate (Standardized Mortality Ration, SMR) infolge von Suizid in den Landkreisen und Kreisfreien Städten. Referenzwert ist die durchschnittliche Sterblichkeitsrate in Sachsen, die bei 100 Prozent liegt. Werte darüber bedeuten eine höhere und Werte darunter eine niedrigere regionale Sterblichkeit als in Sachsen. Es zeigen sich sowohl Unterschiede zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten, als auch Unterschiede zwischen Mann und Frau innerhalb der Regionen. In Chemnitz lag die Suizidrate bei Frauen beispielsweise über dem sächsischen Durchschnitt und die Rate der Männer darunter. Am geringsten war die Suizidrate 2016 im Landkreis Bautzen mit einem deutlichen Übergewicht bei Männern.

Abbildung 6-66: Standardisierte Sterblichkeitsrate infolge von Suizid in Sachsen insgesamt und in den Landkreisen und Kreisfreien Städten, nach Geschlecht, in Prozent, 2015

Bei Männern ist die standardisierte Sterblichkeitsrate infolge von Suizid im Vogtland, Mittelsachsen und Meißen am höchsten. Bei Frauen liegt die Rate in Zwickau, Chemnitz und Mittelsachsen über dem Durchschnitt von Sachsen.

Eine Übersichtskarte mit den Namen der Landkreise und Kreisfreien Städte ist in Teil I zu finden.
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Todesursachenstatistik,
eigene Darstellung Prognos AG. Kartengrundlage: © GeoBasis-DE / BKG 2015

 

Fußnoten

145 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde eine vereinfachte Form der Altersabgrenzung verwendet. Zum Beispiel ist mit dem Alter 25–29 das Alter 25 bis unter 30 Jahren gemeint.

146 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde eine vereinfachte Form der Altersabgrenzung verwendet. Zum Beispiel ist mit dem Alter 25–29 das Alter 25 bis unter 30 Jahren gemeint.

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